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STXBP1 - unterschiedliche Krankheitsmechanismen

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STXBP1 Mechanismen bei Missense Mutationen

Die Funktionsanalyse von STXBP1-Missense-Mutationen hat drei unterschiedliche Krankheitsmechanismen identifiziert. Verschiedene Missense-Mutationen – bei denen es zu einer einzigen Aminosäureveränderung kommt – können über unterschiedliche zelluläre Signalwege zu unterschiedlichen Krankheitsbildern führen:

1. verminderte Proteinstabilität, die zu einem Abbau führt:
Bestimmte Missense-Mutationen führen zu einem mutierten Munc18-1-Protein, das instabil und anfällig für Abbau ist. Diese Instabilität führt zu einer verringerten Menge an funktionsfähigem Munc18-1-Protein in den Zellen, was die synaptische Funktion stört. Bei diesen Varianten ist der primäre Auslöser der Erkrankung eher die verminderte Menge des Proteins als eine Veränderung seiner Funktion.

2. Haploinsuffizienz:
Haploinsuffizienz ist ein klassischer Mechanismus des Funktionsverlusts, bei dem eine einzige funktionelle Kopie eines Gens nicht ausreicht, um einen normalen physiologischen Zustand aufrechtzuerhalten. Bei einigen STXBP1-Missense-Varianten führt die Mutation dazu, dass aus diesem Allel kein funktionsfähiges Protein produziert wird, was effektiv einer Deletion entspricht. Die Erkrankung wird daher durch die unzureichende Gesamtmenge an Munc18-1-Protein verursacht.

3. dominant-negative Wirkung mit kortikaler Übererregbarkeit und reduzierte Gesamtproteinkonzentrationen:
Dieser Mechanismus beinhaltet ein mutiertes Protein, das nicht nur nicht richtig funktioniert, sondern auch aktiv die Funktion des verbleibenden normalen oder Wildtyp-Munc18-1-Proteins beeinträchtigt. Dieser "dominant-negative" Effekt trägt zu einem schwerwiegenderen Verlauf bei als die Haploinsuffizienz allein. Eine Studie brachte diesen Effekt speziell mit einer kortikalen Übererregbarkeit in Verbindung, was die schweren epileptischen Symptome erklärt, die bei vielen Patienten auftreten.

Diese Mechanismen erklären die vielfältigen klinischen Merkmale der STXBP1-assoziierten Erkrankung.

Reduzierte Gesamtproteinkonzentrationen: Wieso kann es zu einer Gesamtproteinreduzierung kommen?
Dies wurde bei bestimmten Missense Mutationen beobachtet und erfordert ein neues Design bei Therapien dieser Mutationen.
Einige Missense Mutationen, wie Pro335Leu, Arg406His, Pro480Leu, Gly544Glu und Gly544Val, sollen dominant-negativ wirken. Das bedeutet, dass die mutierte Variante mit dem Wildtyp-STXBP1 interagieren und dessen Stabilität oder Funktionalität beeinträchtigen kann.
Im Zusammenhang mit STXBP1 bezeichnet eine "negativ dominante Missense-Mutation" eine Missense-Veränderung, die eine dominant-negative Wirkung ausübt.

Begriffserklärung:

Eine Missense-Mutation ist eine einzelne Aminosäureveränderung im STXBP1-Protein.
Eine dominante Mutation ist eine Mutation, die selbst dann einen Phänotyp verursachen kann, wenn nur ein Allel mutiert ist (heterozygot).
Negativer (dominant-negativer) Effekt bedeutet, dass das mutierte STXBP1-Protein die Funktion des normalen STXBP1-Proteins beeinträchtigt und die Gesamtaktivität über das Maß hinaus verringert, das bei einem einfachen Verlust einer Kopie (Haploinsuffizienz) zu erwarten wäre.

Wie dies bei STXBP1 auftreten könnte:

STXBP1 ist an Multiproteinkomplexen beteiligt, die für die Freisetzung synaptischer Vesikel unerlässlich sind. Wenn eine Missense-Mutation ein fehlerhaftes Protein erzeugt, das weiterhin mit Partnern interagiert, kann dies den gesamten Komplex stören.
Das mutierte Protein kann die ordnungsgemäße Komplexbildung behindern, fehlplatziert sein oder interagierende Proteine sequestrieren und dadurch die Freisetzung von Neurotransmittern stärker beeinträchtigen als ein einzelnes nicht funktionsfähiges Allel.
Nicht alle Missense-Mutationen von STXBP1 sind dominant-negativ; einige können haploinsuffizient oder funktionsgewinnend sein.
Um einen dominant-negativen Mechanismus für eine bestimmte Variante zu bestätigen, sind in der Regel experimentelle Nachweise (biochemische Wechselwirkungen, Strukturuntersuchungen, zelluläre Assays) erforderlich.

Quellen: Kovačević et al. 2018 "Protein instability, haploinsufficiency, and cortical hyper-excitability underlie STXBP1 encephalopathy".
Timon André et al. 2024 "Reduced Protein Stability of 11 Pathogenic Missense STXBP1/MUNC18-1 Variants and Improved Disease Prediction."

Modifiergene bei STXBP1

Bei vielen Mendelschen Erkrankungen wird eine erhebliche klinische Variabilität beobachtet, sodass Patienten mit derselben Mutation eine sehr schwere Form der Erkrankung, eine milde Form oder gar keine Symptome entwickeln können. Zu den Faktoren, die diese Unterschiede in der Ausprägung der Erkrankung erklären können, gehören Modifikatorgene. Das Konzept der Modifikatorgene ist nicht neu, sondern wurde bereits 1941 von Haldane eingeführt.
Die Variabilität der Krankheitsausprägung könnte auch durch die Wirkung anderer Gene als des primären, an der Krankheit beteiligten Gens erklärt werden, und diese werden in der Regel als Modifikatorgene bezeichnet. Ihre Wirkung auf die Krankheitsausprägung kann von starken Effekten im Rahmen eines "monogenen Modells" bis zu viel milderen Effekten oder gar keine Effekte im Rahmen eines "multifaktoriellen Modells" variieren.

Was sind Modifiergene?

Modifiergene sind Gene, die die Ausprägung einer anderen Mutation beeinflussen können. Sie verändern also, wie stark oder in welcher Form sich eine primäre genetische Veränderung, also eine Mutation in einem Hauptgen, äußert. Modifiergene können die Schwere, das Spektrum oder die Wahrscheinlichkeit von Symptomen beeinflussen, ohne selbst notwendigerweise krankheitstypische Merkmale zu verursachen.

Wie wirken modifiergene?

Ihre Wirkung lässt sich grob in mehrere Mechanismen einteilen:

Epistase:
Ein Modifiergen beeinflusst, ob ein anderes Gen überhaupt exprimiert wird oder in welchem Ausmaß. Dadurch kann eine Mutation milder oder stärker erscheinen.

Genexpression und Transkriptionslevel:
Modifiergene können die Menge an Proteinen regulieren, die aus dem primären mutierten Gen produziert werden, was die Funktionsstörung abschwächen oder verstärken kann.

Protein-Interaktionen:
Sie verändern, wie Proteine miteinander interagieren, stabilisieren oder abbauen, wodurch sich die Auswirkungen einer fehlerhaften Proteinbildung verändern.

Signalwege und kompensatorische Pfade:
Modifiergene können alternative biochemische Wege aktivieren, die die fehlende Funktion teilweise kompensieren.

Domänenspezifische Funktionen:
In einigen Fällen können Modifiergene spezifische Teilfunktionen eines mutierten Proteins beeinflussen, sodass nur bestimmte Zelltypen oder Gewebe betroffen sind.

Warum verursacht eine Mutation keine Symptome?

Es ist wichtig zu beachten, dass Modifiergene komplexe Phänomene sind und ihre Wirkungen oft kontextabhängig sind. Umwelt- und Lebensstilfaktoren, wie Ernährung, Stress, Infektionen oder andere Umweltbedingungen können ebenfalls beeinflussen, ob eine Mutation symptomatisch wird.

Forschungen in der Genetik versuchen, diese Modifikationen besser zu verstehen, um individuelle Krankheitsverläufe genauer vorhersagen zu können und künftig gezieltere Therapien zu ermöglichen.

Quelle: Emmanuelle Génin et al. 2008 "Identifying modifier genes of monogenic disease: strategies and difficulties"